Meeting mit Marlene
Als ich dich das erste Mal sah, trugst du deine nach dir benannten Hosen. Du sahst wunderschön und elegant aus mit deinen dünnen Augenbrauen, dem herzförmigen Mund und der Zigarettenspitze darin. Wie ein Filmstar, der du ja auch warst.
Dann habe ich lange nichts mehr von dir gehört. Wieder getroffen habe ich dich in einem Buch, in dem du mir mehr von dir erzähltest: Du kamst aus Berlin – ach nee, hier wohne ich ja auch. 1901 in Schöneberg als Marie Magdalene Dietrich geboren, so so. Na mit diesem Namen und der gutbürgerlichen Erziehung musste ja was aus dir werden. Aber weißt du, was ich bewundernswert finde:
Dein Abitur haste gar nicht abgeschlossen, wa?
Und dann bist du nach Weimar gegangen und hast eine Ausbildung als Konzertgeigerin angefangen.
Das ist ja lustig – schon wieder eine Parallele.
Ich habe auch in Weimar studiert und meine Eltern sind beide Geiger. Aber an der Musikschule Weimar sollst du nicht gewesen sein. Ich war aber da und weiß nicht, ob du viel verpasst hast. Mit Musikwissenschaft lässt sich die Welt nicht erobern, eher mit langen Beinen, rauchiger Stimme und Beziehungen, die musst du wohl gehabt haben. Denn an der Bauhaus-Universität hast du Lothar Schreyer und Alma Mahler kennengelernt, was muss das für eine spannende Zeit gewesen sein!
Und dann bist du wieder nach Berlin und hast Schauspielunterricht genommen. 1923 hast du geheiratet und eine Tochter bekommen, das wusste ich gar nicht. Berühmt wurdest du als femme fatale Lola in „Der blaue Engel”. Interessant ist, dass dein Drehpartner ungefähr das 10-fache deiner Gage erhielt.
In Hollywood stiegen deine Gagen und du wurdest zum Sexsymbol und zur Diva, was immer das heißen mag. Und Mut musst du gehabt haben, denn dein Stil widersetzte sich den gängigen Geschlechterklischees und durch dich wurde der Hosenanzug und Smoking für Frauen salonfähig.
Ich wünschte, mir stände diese Hose so gut wie dir!
Dass du Nazideutschland den Rücken gekehrt hattest, erinnerte ich, aber dass du 1939 die deutsche Staatsbürgerschaft abgelegt hast, war mir neu. Du engagiertest dich gegen das NSDAP-Regime, was dir später von manchen als Vaterlandsverrat ausgelegt wurde, als du in den 60-er Jahren auch in Deutschland Konzerte gabst.
Was mich traurig und nachdenklich stimmt, ist dein Rückzug in Paris. Bis zu deinem Tod sollst du dein Bett 11 Jahre lang nicht mehr verlassen haben! Tabletten und Alkohol bestimmten wohl, wie leider bei vielen Künstler*innen, deinen letzten Lebensabschnitt. Warum ist das so? Die fehlende Aufmerksamkeit oder diese unmenschliche Film- und Musikwirtschaft und Medien, die zerfleischen? Du sollst mithilfe eines Greifarms, einer Sekretärin, der Hilfe deiner Tochter und des Telefons bis zu deinem Tod 1992 trotzdem Einfluss auf deine Umwelt genommen haben.
Heute erinnert der Marlene-Dietrich-Platz in Berlin an dich mit der Widmung: „Berliner Weltstar des Films und des Chansons. Einsatz für Freiheit und Demokratie, für Berlin und Deutschland“.