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Zeit wie Wolken

Das Monster frisst die Erdbeere. Die zerfällt in Staub. Sie wird zur Kriegerin – mit Pfeil und Bogen und jagt die Zeit. Diese fehlt mir, als ich auf der grünen Wiese zwischen Uni und Sportkurs in die Wolken starre.


Ich müsste schon längst los, doch die Kriegerin hält mich gefangen. Was, wenn das Monster wieder kommt? Das Monster heißt Phonetik und ich will es nicht mehr sehen. Warum hab ich nur Germanistik und nicht Literatur studiert, wo man solche Kurse nicht belegen muss?


Anfängerfehler! Wie mit Lars.

Erst jagte Lars mich, wie das Monster die süße Frucht. Dann naschte er, dann hatte er mich bald satt. Ich wünschte, ich wäre wie die Kriegerin am Himmel. Leicht, fließend, schmelzend. Doch meine Gedanken hängen an ihm wie klebrige Zuckerwatte, die an den Händen klebt und sich im Mund verlieren will. Seine Küsse schmecken zu gut! Aber er meldet sich nicht. Bin ich nicht interessant genug? Interessiert mich mein Studium eigentlich?


Phonetik, dieses Monster, auf jeden Fall nicht. Aber da taucht wie aus dem Nichts schon eine Girafffe hervor. Mit 3 f. Lauthals muss ich lachen, denn sie sieht der Professorin ähnlich. Noch 10 Minuten, dann gehe ich!





Es gibt eigentlich keinen Grund zu eilen. Wen interessiert es, ob ich zum Sportkurs gehe oder zum Seminar morgen. Lars denkt auch nicht an mich. Ich denke hingegen zu viel. Sie sind schwer, meine Girafffen-Gedanken-Gefühle nehmen mich mit und sind nicht so federleicht wie das Studium und diese Zeit sein sollten. Sie hängen schwer am Himmel, kumulieren Stürme und schwere Gewitter, die sich manchmal entladen dürfen, bevorzugt in der Familie, die nicht versteht, wo das Unwetter auf einmal herkommt. Mama fragt:

„Aber du wolltest doch immer was mit Büchern machen?”

Ja, aber die Zeit vergeht wie die Wolken. Inzwischen wird es abends. Der Himmel trübt sich dunkel, die Sonne fällt zum Horizont, verneigt sich vor der Wiese und ich denke: rotpinkorange. So wie die Farbe am Himmel, so satt und flammend wäre ich gern.

Dann ginge ich in die Bücher dieser Zeit ein, eine Farbe, die brilliert. Lars könnte nicht anders als mich anzuhimmeln. Denn ich wäre omnipräsent und transformiert in Zeit und Raum.


Ich – tja, wer bin ich eigentlich?

Rote Erdbeere küsst … – sieht aus wie eine Kuh, nein, eher ein Schwein! Das Schwein frisst die Frucht und wird zum Vogel. So sollte das Leben sein mit 25. Transformierend, leicht, beflügelnd und nicht so schwer, dass ich mich von dieser Wiese nicht mehr erheben kann.


Aber dann taucht die Kriegerin wieder auf. Die Waffen hat sie abgelegt, sie trägt ein Buch. Vielleicht ist es eher ein V, das aus ihr wächst. Ein Zeichen des Friedens – die weiße Watteflagge schwingend werden auch meine Gedanken träge und müde. Meine Phantasie hat sich erhoben und fällt ermattend in mich zurück.


Lars ist mir eigentlich egal und Phonetik schaffe ich auch irgendwie. Mama rufe ich morgen an, nach der Uni. Ich denke, es ist Zeit nach Hause zu gehen.

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